Via Squero – Squerostraße
Via Squero – Squerostraße
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Via Squero – Squerostraße
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Vor 60 Jahren lebten die meisten Fischer aus Cesenatico in “Ponente “(das ist der westliche Stadtteil); in der Via Squero.
Es war das ärmste Viertel der Stadt und heißt “Valona”; In den Tavernen gab es nur Fisch; welcher damals das Mahl der “ARMEN” war, während in den Tavernen auf der gegenüberliegenden Seite des Hafen-Kanals; im Osten, die Produkte aus dem Hinterland angeboten wurden und das Menü auf Fleisch basierte.
Als ich klein war, erinnerte die Via Squero ein wenig an die “Spanischen” Viertel von Neapel; Ich erinnere mich an Szenen jeglicher Art; das Geschreie aus den Fenstern, die spielenden Kinder, und die Wäsche, welche im Wind zum Trocknen aufgehängt wurde. Heute frage ich mich; wo sind die Kinder? Ich sehe keine mehr. Wir waren 20, oft sogar 30, die Straße war vollgefüllt von unseren Spielen und unserem Lärm.
Und dann, am Abend, nahmen die Frauen ihre Stühle setzten sich an die Straße und plauderten bis spät in die Nacht hinein.
Die Via Squero, weist uns schon durch ihren Namen die Richtung vor, welche wir einschlagen; Es ist die Richtung zum Meer.
Los, laß uns gehen!
Wenn Ihr jetzt nach oben seht, kȍnnt Ihr die segelförmigen Fahnen an den Laternenmasten erkennen.
Jede Fahne reproduziert die Farben und Formen, die es ermöglichten, das Fischerboot zu erkennen. Vor allem aber, können Sie die Spitznamen von all jenen Fischerfamilien lesen welche ein Boot besaßen; “Gambèla”, “E Sèndich”, “Nacc”, “Bastcianèl”… ich kenne den Ursprung nicht von allen, aber von einigen: zum Beispiel “Scimiàza”, ein Mann, der jederzeit in Stimmung ist Scherze zu machen und sich dann wie ein schelmischer Affe über alle lustig macht.
In den sechziger und siebziger Jahren praktizierten die meisten Fischerboote das “fliegende Fischen”, um Blaufische zu fangen. Ab vier Uhr morgens wimmelte es in der Straße voller Leben; Die Fischer kamen schon mit ihrer Fischerbekleidung aus den Häusern, einige mit Holzschuhen, weil sich die Stiefel schon an Bord befanden; in den kalten Wintermonaten trugen sie „scarfaròt“,(das sind Wollsocken, die so dick waren, daß man wie mit Schuhen auf dem Boden laufen konnte); Sie hielten zwar die Füße warm, aber wohl fühlten sie sich nicht damit.
„Vin cun me burdlaz, ch’andèm a fè la spàisa!“( Junge komm mit mir, wir gehen einkaufen); rief der Koch dem Matrosen zu. Hier, in der “Via Squero “Nummer 29, an der Ecke zu ” Via Semprini”, gab es einen Laden, in dem man sich mit Vorräten für die Besatzung eindeckte. Jeder Lebensmittelladen hatte ein Büchlein mit dem Namen des Bootes, in dem die Ausgaben sorgfältig vermerkt waren und am Monatsende bezahlt wurden.
Etwas weiter,bei Hausnummer 37, wohnte mein erster Kommandant mit dem Spitznamen „der General“. Da er nicht weit von meinem Haus entfernt wohnte, kontrollierte er mich immer ob ich auch schon wach war, während er zum Meer ging. Er war ein unhöflicher, rauher Mann, aber schließlich brauchte es zwischen uns nicht viele Worte; Fischer haben einen Umgangston, mit dem sie sich sofort verstehen.
Im Laufe der Jahre wurde unsere Beziehung dann immer enger und die Geschichten immer persönlicher. Seine, handelten fast immer vom Meer und drangen tief in meine Seele ein.
Und jetzt stehen wir vor der Via Squero 55: Das ist mein Zuhause!
Mein Großvater war Fischer, mein Vater nicht: Als meine Großmutter bei seiner Geburt verstarb, nahm sie ihrem Mann das Versprechen ab, ihren Sohn niemals auf das Meer gehen zu lassen.
Die Bitte meiner Großmutter war verständlich, denn dazumal war das Fischerleben gefährlich. Damals fuhren wir nur mit den Segeln und waren deshalb dem Wind sowie dem Sturm als auch bei Windstille dem Meer ausgeliefert. Dazu kam noch der Nebel, die Kollisionen mit anderen Booten, und nach 1945 kam eine weitere Bedrohung dazu. Das Meer war voller Minen, welche die Deutschen während des Krieges verstreut hatten, und einige flogen dabei in die Luft.
Das Leben des Fischers war jedoch armselig; Man brachte gerade das Notwendigste nach Hause; es herrschte Elend. Erst in den frühen siebziger Jahren begann sich dieser Beruf zu lohnen, dank immer stärkerer Motoren und Innovationen mit verschiedenen Fangtechniken.
Das war die Zeit, als ich und viele meiner Freunde mit dem fischen begannen.
Mein Vater erählte mir erst im Erwachsenenalter von dem Versprechen meines Großvaters an seine damals sterbende Frau. Als ich ein Kind war, mochte er es nicht, wenn ich mit den Fischerkindern spielte, vielleicht fürchtete er, daß auch ich früher oder später so wie er von dieser Welt fasziniert sein würde. Mein Bruder und ich spielten trotzdem immer mit ihnen .
Das spielen auf den Fischerbooten, die Verfolgungsjagden zwischen den Fischhallen, die Bäder im Hafen-Kanal, usw …
Manchmal wachten wir nachts auf und schlichen uns heimlich hinaus, um zum Fischkutter der Thunfische zu gehen. Diese nächtlichen, heimlichen Ausflüge hatten etwas Märchenhaftes; wir lagen auf den Netzen und schauten in den Sternenhimmel.
Daß ich meine Kindheit an diesen Orten verbracht habe, hat sicherlich dazu beigetragen, daß ich den Weg zum Meer eingeschlagen habe. Es schlug jedoch wie ein Blitz auf mich ein, als ich „Mutige Kapitäne“ von dem Schriftsteller “KIPLING” gelesen und vor allem den Film mit Spencer Tracy gesehen habe.
Ein paar Schritte von meinem Haus entfernt, war rechts der kleine Squero. (eine kleine Anlegestelle – heute nennt es sich Schiffswerft)
Wo sich jetzt das Wasser vom Hafen-Kanal befindet, war früher Sand um die Boote aus dem Wasser zu ziehen. Weiter links war die Marconi-Werft, wo die größten Schiffe gebaut und repariert wurden. Heute werden alle Schiffsbauarbeiten in der ”DARSENA“ (Bootshafen )durchgeführt, welcher mit der Via Squero in Richtung Hafen führt.
An der Ecke zur “Squero” war die Bar der Seeleute; mit einem großen Vordach und darunter standen viele Tische. Wenn man nicht aufs Meer hinausfahren konnte, gingen die Fischer nicht nach Hause sondern sie kamen hierher. Bei unsicherem Wetter sagten sie zu den Jüngeren; „Geh zum Liegeplatz“, eine Art um auszudrücken; halte dich bereit. Natürlich kamen wir dann oft zur Bar, denn wir hörten gerne den Diskussionen der älteren Fischer zu, wobei über allerlei gesprochen wurde. Manchmal ging es um nicht gegebene Vorfahrten bei der Fischerei auf offener See, oder darum, wer zuerst einen Fischschwarm gesichtet hatte, und in manchen Fällen entstand sogar eine Rauferei. Die einen erzählten von ihrem Schiffsbruch, die anderen wieder ȕber einen Scherz gegenüber einem Kollegen; oft unterhielten sich die Kapitäne über den Fischfang des Vortages; wobei sie natürlich viele Details ausließen, um niemanden wissen zu lassen, wo sie den Fisch wirklich gefangen hatten.
Neben der ehemaligen Bar der Seeleute, befindet sich heute noch die Taverne “La Lampara”; Es war lange Zeit das “ heißeste Lokal ” in Cesenatico. Es gehörte dem Onkel meines Vaters und viele Male, als ich gerade 4 oder 5 Jahre alt war, ließen sie mich auf den Tischen stehend vorsingen. Ich war als Kind sehr schüchtern, aber wenn ich auf dem Tisch stand und gesungen habe, fühlte ich mich wie ein anderer Mensch. Hier wurde meine Liebe zum Singen geboren.
Und zum Schluß; direkt vor dem “squero”, befindet sich im Hause der Fischer der historische Sitz von der im Jahre 1945 gegründeten Genossenschaft. Im obersten Stockwerk befindet sich ein wichtiges Video- und Fotoarchiv. Ich denke mir, daß diese Erinnerung mitsamt ihrem Wissen in diesem Viertel immer noch sehr lebendig und gegenwärtig ist, aber eines Tages in Vergessenheit geraten wird. Deshalb ist es wichtiger denn je, diese Zeugnisse zu sammeln, da sie von unserer Vergangenheit als Seefahrer erzählen.
Ich denke an meinen Großvater, der einer der ersten, RETAI war.(er hat die beschädigten Fischernetze repariert) Als er in den Ruhestand ging, machte er die Reparatur der Fischernetze zu seiner Lebensaufgabe.. Er hing so sehr an dieser Welt, daß es ihm unmöglich war, sich von ihr zu trennen.
Wer einmal zur See gefahren ist, kann dem Hafen-Kanal nicht fernbleiben; sie kommen alle immer wieder zurȕck.
Audio Track transcription
Vor 60 Jahren lebten die meisten Fischer aus Cesenatico in “Ponente “(das ist der westliche Stadtteil); in der Via Squero.
Es war das ärmste Viertel der Stadt und heißt “Valona”; In den Tavernen gab es nur Fisch; welcher damals das Mahl der “ARMEN” war, während in den Tavernen auf der gegenüberliegenden Seite des Hafen-Kanals; im Osten, die Produkte aus dem Hinterland angeboten wurden und das Menü auf Fleisch basierte.
Als ich klein war, erinnerte die Via Squero ein wenig an die “Spanischen” Viertel von Neapel; Ich erinnere mich an Szenen jeglicher Art; das Geschreie aus den Fenstern, die spielenden Kinder, und die Wäsche, welche im Wind zum Trocknen aufgehängt wurde. Heute frage ich mich; wo sind die Kinder? Ich sehe keine mehr. Wir waren 20, oft sogar 30, die Straße war vollgefüllt von unseren Spielen und unserem Lärm.
Und dann, am Abend, nahmen die Frauen ihre Stühle setzten sich an die Straße und plauderten bis spät in die Nacht hinein.
Die Via Squero, weist uns schon durch ihren Namen die Richtung vor, welche wir einschlagen; Es ist die Richtung zum Meer.
Los, laß uns gehen!
Wenn Ihr jetzt nach oben seht, kȍnnt Ihr die segelförmigen Fahnen an den Laternenmasten erkennen.
Jede Fahne reproduziert die Farben und Formen, die es ermöglichten, das Fischerboot zu erkennen. Vor allem aber, können Sie die Spitznamen von all jenen Fischerfamilien lesen welche ein Boot besaßen; “Gambèla”, “E Sèndich”, “Nacc”, “Bastcianèl”… ich kenne den Ursprung nicht von allen, aber von einigen: zum Beispiel “Scimiàza”, ein Mann, der jederzeit in Stimmung ist Scherze zu machen und sich dann wie ein schelmischer Affe über alle lustig macht.
In den sechziger und siebziger Jahren praktizierten die meisten Fischerboote das “fliegende Fischen”, um Blaufische zu fangen. Ab vier Uhr morgens wimmelte es in der Straße voller Leben; Die Fischer kamen schon mit ihrer Fischerbekleidung aus den Häusern, einige mit Holzschuhen, weil sich die Stiefel schon an Bord befanden; in den kalten Wintermonaten trugen sie „scarfaròt“,(das sind Wollsocken, die so dick waren, daß man wie mit Schuhen auf dem Boden laufen konnte); Sie hielten zwar die Füße warm, aber wohl fühlten sie sich nicht damit.
„Vin cun me burdlaz, ch’andèm a fè la spàisa!“( Junge komm mit mir, wir gehen einkaufen); rief der Koch dem Matrosen zu. Hier, in der “Via Squero “Nummer 29, an der Ecke zu ” Via Semprini”, gab es einen Laden, in dem man sich mit Vorräten für die Besatzung eindeckte. Jeder Lebensmittelladen hatte ein Büchlein mit dem Namen des Bootes, in dem die Ausgaben sorgfältig vermerkt waren und am Monatsende bezahlt wurden.
Etwas weiter,bei Hausnummer 37, wohnte mein erster Kommandant mit dem Spitznamen „der General“. Da er nicht weit von meinem Haus entfernt wohnte, kontrollierte er mich immer ob ich auch schon wach war, während er zum Meer ging. Er war ein unhöflicher, rauher Mann, aber schließlich brauchte es zwischen uns nicht viele Worte; Fischer haben einen Umgangston, mit dem sie sich sofort verstehen.
Im Laufe der Jahre wurde unsere Beziehung dann immer enger und die Geschichten immer persönlicher. Seine, handelten fast immer vom Meer und drangen tief in meine Seele ein.
Und jetzt stehen wir vor der Via Squero 55: Das ist mein Zuhause!
Mein Großvater war Fischer, mein Vater nicht: Als meine Großmutter bei seiner Geburt verstarb, nahm sie ihrem Mann das Versprechen ab, ihren Sohn niemals auf das Meer gehen zu lassen.
Die Bitte meiner Großmutter war verständlich, denn dazumal war das Fischerleben gefährlich. Damals fuhren wir nur mit den Segeln und waren deshalb dem Wind sowie dem Sturm als auch bei Windstille dem Meer ausgeliefert. Dazu kam noch der Nebel, die Kollisionen mit anderen Booten, und nach 1945 kam eine weitere Bedrohung dazu. Das Meer war voller Minen, welche die Deutschen während des Krieges verstreut hatten, und einige flogen dabei in die Luft.
Das Leben des Fischers war jedoch armselig; Man brachte gerade das Notwendigste nach Hause; es herrschte Elend. Erst in den frühen siebziger Jahren begann sich dieser Beruf zu lohnen, dank immer stärkerer Motoren und Innovationen mit verschiedenen Fangtechniken.
Das war die Zeit, als ich und viele meiner Freunde mit dem fischen begannen.
Mein Vater erählte mir erst im Erwachsenenalter von dem Versprechen meines Großvaters an seine damals sterbende Frau. Als ich ein Kind war, mochte er es nicht, wenn ich mit den Fischerkindern spielte, vielleicht fürchtete er, daß auch ich früher oder später so wie er von dieser Welt fasziniert sein würde. Mein Bruder und ich spielten trotzdem immer mit ihnen .
Das spielen auf den Fischerbooten, die Verfolgungsjagden zwischen den Fischhallen, die Bäder im Hafen-Kanal, usw …
Manchmal wachten wir nachts auf und schlichen uns heimlich hinaus, um zum Fischkutter der Thunfische zu gehen. Diese nächtlichen, heimlichen Ausflüge hatten etwas Märchenhaftes; wir lagen auf den Netzen und schauten in den Sternenhimmel.
Daß ich meine Kindheit an diesen Orten verbracht habe, hat sicherlich dazu beigetragen, daß ich den Weg zum Meer eingeschlagen habe. Es schlug jedoch wie ein Blitz auf mich ein, als ich „Mutige Kapitäne“ von dem Schriftsteller “KIPLING” gelesen und vor allem den Film mit Spencer Tracy gesehen habe.
Ein paar Schritte von meinem Haus entfernt, war rechts der kleine Squero. (eine kleine Anlegestelle – heute nennt es sich Schiffswerft)
Wo sich jetzt das Wasser vom Hafen-Kanal befindet, war früher Sand um die Boote aus dem Wasser zu ziehen. Weiter links war die Marconi-Werft, wo die größten Schiffe gebaut und repariert wurden. Heute werden alle Schiffsbauarbeiten in der ”DARSENA“ (Bootshafen )durchgeführt, welcher mit der Via Squero in Richtung Hafen führt.
An der Ecke zur “Squero” war die Bar der Seeleute; mit einem großen Vordach und darunter standen viele Tische. Wenn man nicht aufs Meer hinausfahren konnte, gingen die Fischer nicht nach Hause sondern sie kamen hierher. Bei unsicherem Wetter sagten sie zu den Jüngeren; „Geh zum Liegeplatz“, eine Art um auszudrücken; halte dich bereit. Natürlich kamen wir dann oft zur Bar, denn wir hörten gerne den Diskussionen der älteren Fischer zu, wobei über allerlei gesprochen wurde. Manchmal ging es um nicht gegebene Vorfahrten bei der Fischerei auf offener See, oder darum, wer zuerst einen Fischschwarm gesichtet hatte, und in manchen Fällen entstand sogar eine Rauferei. Die einen erzählten von ihrem Schiffsbruch, die anderen wieder ȕber einen Scherz gegenüber einem Kollegen; oft unterhielten sich die Kapitäne über den Fischfang des Vortages; wobei sie natürlich viele Details ausließen, um niemanden wissen zu lassen, wo sie den Fisch wirklich gefangen hatten.
Neben der ehemaligen Bar der Seeleute, befindet sich heute noch die Taverne “La Lampara”; Es war lange Zeit das “ heißeste Lokal ” in Cesenatico. Es gehörte dem Onkel meines Vaters und viele Male, als ich gerade 4 oder 5 Jahre alt war, ließen sie mich auf den Tischen stehend vorsingen. Ich war als Kind sehr schüchtern, aber wenn ich auf dem Tisch stand und gesungen habe, fühlte ich mich wie ein anderer Mensch. Hier wurde meine Liebe zum Singen geboren.
Und zum Schluß; direkt vor dem “squero”, befindet sich im Hause der Fischer der historische Sitz von der im Jahre 1945 gegründeten Genossenschaft. Im obersten Stockwerk befindet sich ein wichtiges Video- und Fotoarchiv. Ich denke mir, daß diese Erinnerung mitsamt ihrem Wissen in diesem Viertel immer noch sehr lebendig und gegenwärtig ist, aber eines Tages in Vergessenheit geraten wird. Deshalb ist es wichtiger denn je, diese Zeugnisse zu sammeln, da sie von unserer Vergangenheit als Seefahrer erzählen.
Ich denke an meinen Großvater, der einer der ersten, RETAI war.(er hat die beschädigten Fischernetze repariert) Als er in den Ruhestand ging, machte er die Reparatur der Fischernetze zu seiner Lebensaufgabe.. Er hing so sehr an dieser Welt, daß es ihm unmöglich war, sich von ihr zu trennen.
Wer einmal zur See gefahren ist, kann dem Hafen-Kanal nicht fernbleiben; sie kommen alle immer wieder zurȕck.
Audiotrack-Text
Vor 60 Jahren lebten die meisten Fischer aus Cesenatico in “Ponente “(das ist der westliche Stadtteil); in der Via Squero.
Es war das ärmste Viertel der Stadt und heißt “Valona”; In den Tavernen gab es nur Fisch; welcher damals das Mahl der “ARMEN” war, während in den Tavernen auf der gegenüberliegenden Seite des Hafen-Kanals; im Osten, die Produkte aus dem Hinterland angeboten wurden und das Menü auf Fleisch basierte.
Als ich klein war, erinnerte die Via Squero ein wenig an die “Spanischen” Viertel von Neapel; Ich erinnere mich an Szenen jeglicher Art; das Geschreie aus den Fenstern, die spielenden Kinder, und die Wäsche, welche im Wind zum Trocknen aufgehängt wurde. Heute frage ich mich; wo sind die Kinder? Ich sehe keine mehr. Wir waren 20, oft sogar 30, die Straße war vollgefüllt von unseren Spielen und unserem Lärm.
Und dann, am Abend, nahmen die Frauen ihre Stühle setzten sich an die Straße und plauderten bis spät in die Nacht hinein.
Die Via Squero, weist uns schon durch ihren Namen die Richtung vor, welche wir einschlagen; Es ist die Richtung zum Meer.
Los, laß uns gehen!
Wenn Ihr jetzt nach oben seht, kȍnnt Ihr die segelförmigen Fahnen an den Laternenmasten erkennen.
Jede Fahne reproduziert die Farben und Formen, die es ermöglichten, das Fischerboot zu erkennen. Vor allem aber, können Sie die Spitznamen von all jenen Fischerfamilien lesen welche ein Boot besaßen; “Gambèla”, “E Sèndich”, “Nacc”, “Bastcianèl”… ich kenne den Ursprung nicht von allen, aber von einigen: zum Beispiel “Scimiàza”, ein Mann, der jederzeit in Stimmung ist Scherze zu machen und sich dann wie ein schelmischer Affe über alle lustig macht.
In den sechziger und siebziger Jahren praktizierten die meisten Fischerboote das “fliegende Fischen”, um Blaufische zu fangen. Ab vier Uhr morgens wimmelte es in der Straße voller Leben; Die Fischer kamen schon mit ihrer Fischerbekleidung aus den Häusern, einige mit Holzschuhen, weil sich die Stiefel schon an Bord befanden; in den kalten Wintermonaten trugen sie „scarfaròt“,(das sind Wollsocken, die so dick waren, daß man wie mit Schuhen auf dem Boden laufen konnte); Sie hielten zwar die Füße warm, aber wohl fühlten sie sich nicht damit.
„Vin cun me burdlaz, ch’andèm a fè la spàisa!“( Junge komm mit mir, wir gehen einkaufen); rief der Koch dem Matrosen zu. Hier, in der “Via Squero “Nummer 29, an der Ecke zu ” Via Semprini”, gab es einen Laden, in dem man sich mit Vorräten für die Besatzung eindeckte. Jeder Lebensmittelladen hatte ein Büchlein mit dem Namen des Bootes, in dem die Ausgaben sorgfältig vermerkt waren und am Monatsende bezahlt wurden.
Etwas weiter,bei Hausnummer 37, wohnte mein erster Kommandant mit dem Spitznamen „der General“. Da er nicht weit von meinem Haus entfernt wohnte, kontrollierte er mich immer ob ich auch schon wach war, während er zum Meer ging. Er war ein unhöflicher, rauher Mann, aber schließlich brauchte es zwischen uns nicht viele Worte; Fischer haben einen Umgangston, mit dem sie sich sofort verstehen.
Im Laufe der Jahre wurde unsere Beziehung dann immer enger und die Geschichten immer persönlicher. Seine, handelten fast immer vom Meer und drangen tief in meine Seele ein.
Und jetzt stehen wir vor der Via Squero 55: Das ist mein Zuhause!
Mein Großvater war Fischer, mein Vater nicht: Als meine Großmutter bei seiner Geburt verstarb, nahm sie ihrem Mann das Versprechen ab, ihren Sohn niemals auf das Meer gehen zu lassen.
Die Bitte meiner Großmutter war verständlich, denn dazumal war das Fischerleben gefährlich. Damals fuhren wir nur mit den Segeln und waren deshalb dem Wind sowie dem Sturm als auch bei Windstille dem Meer ausgeliefert. Dazu kam noch der Nebel, die Kollisionen mit anderen Booten, und nach 1945 kam eine weitere Bedrohung dazu. Das Meer war voller Minen, welche die Deutschen während des Krieges verstreut hatten, und einige flogen dabei in die Luft.
Das Leben des Fischers war jedoch armselig; Man brachte gerade das Notwendigste nach Hause; es herrschte Elend. Erst in den frühen siebziger Jahren begann sich dieser Beruf zu lohnen, dank immer stärkerer Motoren und Innovationen mit verschiedenen Fangtechniken.
Das war die Zeit, als ich und viele meiner Freunde mit dem fischen begannen.
Mein Vater erählte mir erst im Erwachsenenalter von dem Versprechen meines Großvaters an seine damals sterbende Frau. Als ich ein Kind war, mochte er es nicht, wenn ich mit den Fischerkindern spielte, vielleicht fürchtete er, daß auch ich früher oder später so wie er von dieser Welt fasziniert sein würde. Mein Bruder und ich spielten trotzdem immer mit ihnen .
Das spielen auf den Fischerbooten, die Verfolgungsjagden zwischen den Fischhallen, die Bäder im Hafen-Kanal, usw …
Manchmal wachten wir nachts auf und schlichen uns heimlich hinaus, um zum Fischkutter der Thunfische zu gehen. Diese nächtlichen, heimlichen Ausflüge hatten etwas Märchenhaftes; wir lagen auf den Netzen und schauten in den Sternenhimmel.
Daß ich meine Kindheit an diesen Orten verbracht habe, hat sicherlich dazu beigetragen, daß ich den Weg zum Meer eingeschlagen habe. Es schlug jedoch wie ein Blitz auf mich ein, als ich „Mutige Kapitäne“ von dem Schriftsteller “KIPLING” gelesen und vor allem den Film mit Spencer Tracy gesehen habe.
Ein paar Schritte von meinem Haus entfernt, war rechts der kleine Squero. (eine kleine Anlegestelle – heute nennt es sich Schiffswerft)
Wo sich jetzt das Wasser vom Hafen-Kanal befindet, war früher Sand um die Boote aus dem Wasser zu ziehen. Weiter links war die Marconi-Werft, wo die größten Schiffe gebaut und repariert wurden. Heute werden alle Schiffsbauarbeiten in der ”DARSENA“ (Bootshafen )durchgeführt, welcher mit der Via Squero in Richtung Hafen führt.
An der Ecke zur “Squero” war die Bar der Seeleute; mit einem großen Vordach und darunter standen viele Tische. Wenn man nicht aufs Meer hinausfahren konnte, gingen die Fischer nicht nach Hause sondern sie kamen hierher. Bei unsicherem Wetter sagten sie zu den Jüngeren; „Geh zum Liegeplatz“, eine Art um auszudrücken; halte dich bereit. Natürlich kamen wir dann oft zur Bar, denn wir hörten gerne den Diskussionen der älteren Fischer zu, wobei über allerlei gesprochen wurde. Manchmal ging es um nicht gegebene Vorfahrten bei der Fischerei auf offener See, oder darum, wer zuerst einen Fischschwarm gesichtet hatte, und in manchen Fällen entstand sogar eine Rauferei. Die einen erzählten von ihrem Schiffsbruch, die anderen wieder ȕber einen Scherz gegenüber einem Kollegen; oft unterhielten sich die Kapitäne über den Fischfang des Vortages; wobei sie natürlich viele Details ausließen, um niemanden wissen zu lassen, wo sie den Fisch wirklich gefangen hatten.
Neben der ehemaligen Bar der Seeleute, befindet sich heute noch die Taverne “La Lampara”; Es war lange Zeit das “ heißeste Lokal ” in Cesenatico. Es gehörte dem Onkel meines Vaters und viele Male, als ich gerade 4 oder 5 Jahre alt war, ließen sie mich auf den Tischen stehend vorsingen. Ich war als Kind sehr schüchtern, aber wenn ich auf dem Tisch stand und gesungen habe, fühlte ich mich wie ein anderer Mensch. Hier wurde meine Liebe zum Singen geboren.
Und zum Schluß; direkt vor dem “squero”, befindet sich im Hause der Fischer der historische Sitz von der im Jahre 1945 gegründeten Genossenschaft. Im obersten Stockwerk befindet sich ein wichtiges Video- und Fotoarchiv. Ich denke mir, daß diese Erinnerung mitsamt ihrem Wissen in diesem Viertel immer noch sehr lebendig und gegenwärtig ist, aber eines Tages in Vergessenheit geraten wird. Deshalb ist es wichtiger denn je, diese Zeugnisse zu sammeln, da sie von unserer Vergangenheit als Seefahrer erzählen.
Ich denke an meinen Großvater, der einer der ersten, RETAI war.(er hat die beschädigten Fischernetze repariert) Als er in den Ruhestand ging, machte er die Reparatur der Fischernetze zu seiner Lebensaufgabe.. Er hing so sehr an dieser Welt, daß es ihm unmöglich war, sich von ihr zu trennen.
Wer einmal zur See gefahren ist, kann dem Hafen-Kanal nicht fernbleiben; sie kommen alle immer wieder zurȕck.