Die Fischhalle

Cesenatico

Egal, ob man “vom Kanalhafen” oder von der “Piazzetta” (dem Platz dahinter) hereinkommt; fest steht, daß der Kunde sofort von den Rufen der brillanten, freundlichen und sehr netten Fischverkäuferinnen bombardiert wird. Ich kenne sie alle; Peppina – Angela – Maria – Tina – Liberia – Rema – Iride – Marta – Caterina – Tilia – […]

Cesenatico

Die Fischhalle

Egal, ob man “vom Kanalhafen” oder von der “Piazzetta” (dem Platz dahinter) hereinkommt; fest steht, daß der Kunde sofort von den Rufen der brillanten, freundlichen und sehr netten Fischverkäuferinnen bombardiert wird. Ich kenne sie alle; Peppina – Angela – Maria – Tina – Liberia – Rema – Iride – Marta – Caterina – Tilia – […]

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Die Fischhalle

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Egal, ob man “vom Kanalhafen” oder von der “Piazzetta” (dem Platz dahinter) hereinkommt; fest steht, daß der Kunde sofort von den Rufen der brillanten, freundlichen und sehr netten Fischverkäuferinnen bombardiert wird. Ich kenne sie alle; Peppina – Angela – Maria – Tina – Liberia – Rema – Iride – Marta – Caterina – Tilia – Diva – Giordana und Angiòla. Sie wurden geboren “par vend’ e pes” (um Fisch zu verkaufen). In diesem magischen Theater welches die Fischhalle ist, wurde über 80 Jahre lang eine geniale “Opera prima” (ein Werk) aufgeführt, deren Protagonisten genau sie waren; die Ehefrauen der Kaufleute, denen die “bènc de’ pes” (die Fischmarktbuden) gehörten. Sie waren so schlau, daß sie sofort beim Eintreten der Kunden dessen Verfassung erkannten und ob er bereit war, Geld auszugeben. Der Vorname und sogar der Spitzname wurden mit lauter Stimme ausgesprochen; fast wie eine herzliche Aufforderung, sich vor dem eigenen Stand zu präsentieren. Wenn der Kunde zögerte, weil er nicht genug Geld hatte (und zu dieser Zeit waren viele Familien in finanziellen Schwierigkeiten), sprachen die Fischhändlerinnen “a t’faz un bon prèzi…porta a cà una bèla zeina…a voi puli e bènc” (ich mache dir einen guten Preis … bringe ein schönes Abendessen mit nach Hause … ich möchte den Stand saubermachen).

Zu den männlichen Kunden sagten sie; Willst du heute Abend gut essen? Seh dir den schönen Fisch an, er lebt noch. Ich mache dir einen lächerlichen Preis und somit erfreust du deine Frau mit einem schönen Fritto misto. (d.h. frittierter Fisch und Meeresfrüchte). Es ist derselbe scherzhafte Ton, der den “alten Kunden” vorbehalten war. “Fal magnè ben stasàira, che dop stè ben ènca tè!” (Lass sie heute Abend gut essen, dann wird es auch dir gut gehen!) Stattdessen wurde für die “signore bene” (die wohlhabenden Damen) eine andere Musik reserviert. Sie kamen am Samstagnachmittag, um den Fischfang des Tages zu holen. Die Frauen der Fischhalle zogen, wie man sagte; “le scarpe dalla punta” (das sind Tanzschuhe) an und priesen mit ihrer Gutmütigkeit die lokalen Rezepte so sehr an, dass diese einzigartig erschienen. Es war eine Frage der Zuneigung, ob man sich von einem Stand oder einem anderen bedienen ließ; jeder hatte einen besonderen Bezug zu seiner Fischverkäuferin. Da war die berühmte Peppina. Wenn man vom Kanalhafen kam, war sie die Erste auf der linken Seite und ihre Spezialität war die Zubereitung der Fischsuppe. Sie bestand aus 13/14 verschiedenen Fischsorten und um sie mit nach Hause zu nehmen, kamen die Junggesellen und vor allem die Damen von Cesena und sogar von Rimini. Dann war da noch Marta, die gelinde ausgedrückt ein feuriges Temperament hatte. Eines Tages blieb eine Dame aus Cesena vor ihrem Stand stehen und fragte sie; “Ist der Fisch frisch?” Blitzschnell antwortete sie, “No, l’è fràid” (das bedeutet “Nein, er ist verdorben”). Diese Episode ging in die Geschichte ein. Marta verlor ihre Kundin, aber die Genugtuung, dem Hochmut “‘d ‘la sgnòra ad Cesàina” (der Dame aus Cesena) geantwortet zu haben, kann man gar nicht in Worte fassen. Dieses Spektakel fand jeden Tag von 14 Uhr 30/ 15 Uhr nachmittags beim Eintreffen des frischen Fisches bis 18 Uhr 30/ 19 Uhr statt. Anschließend begann die Einlagerung des unverkauften Fisches in Eis. Für die Bewohner von “de’ mont” (so heißt dieses Viertel) war die “d’la pscaria” (die Fischhalle) schon immer der Mittelpunkt des täglichen Lebens und der Zuneigung. Es war nicht nötig, sich zu verabreden, denn alle versammelten sich auf dem kleinen Platz vor der damals noch nicht asphaltierten Fischhalle. Die Älteren genossen ein Glas Wein in den beiden Tavernen, die auf den kleinen Platz blicken, während wir Kinder es genossen, einen rostigen Reifen zu rollen oder mit einem Ball aus Stofflumpen zu spielen. Wir hörten auch dem Geplauder der Alten zu, wobei man alles Mögliche zu hören bekam. Es war wie eine weitere Familie, wie Kleider, die man trug. Hier befand sich der Mittelpunkt des damaligen Lebens.

Schon vor dem Bau dieses Gebäudes wurde auf diesem kleinen Platz an Ständen und sogar mit Körben auf dem Boden sehr sparsam mit Fisch gehandelt. Die Menschen lebten so gut sie konnten, denn es herrschte großes Elend. Als die “Pescheria” (die Fischhalle) 1911 auf Initiative der Gemeinde erbaut wurde, gab es im Inneren des Gebäudes 10 Stände, wobei sich 5 auf der Meerseite und 5 auf der Landesinnenseite befanden. Die kleinen Händler, denen diese Stände zugewiesen waren, zahlten eine Miete. Der Fisch wurde in Körben am Hafen abgeladen, denn zur damaligen Zeit gab es noch keinen Fischgroßmarkt. Der Auktionator bot ihn zur Versteigerung an, die Händler kauften ihn und brachten ihn hierher in die Fischhalle. Die Gemeinde stellte auch zwei Stände im Freien gegenüber der “Piazzetta delle Erbe” (Platz der Gräser) für die Fischer zur Verfügung, denn die sogenannte “quota parte” (das ist ein Eigenanteil) konnte jedes Besatzungsmitglied dort verkaufen. Wenn die Boote zurückkehrten, gingen ihnen die Ehefrauen schon entgegen; wogen ein wenig Fisch ab; die sogenannten “mucchie” (das sind Haufen); kehrten zu den Ständen auf der Piazzetta (dem Platz) zurück und verkauften ihn an die Einwohner des Dorfes. Der Fischhandel hier in Cesenatico erlebte seine Blütezeit von Mitte der 1950er bis in die 1990er Jahre. Danach ging es bergab, denn die Adria ist nicht mehr so fischreich wie sie es einmal war. Im Jahre 2011 feierten wir das hundertjährige Bestehen der Fischhalle gemeinsam mit einer der letzten Fischverkäuferinnen, die dort arbeitete; Caterina Razzani. Ich, der damals noch ein Gemeindeangestellter war, organisierte alles. Da keine Beschriftung vorhanden war, ging ich zu einem Schmied und nach den üblichen Höflichkeiten sagte ich ihm; schreibe es mir im Dialekt “Pscària 1911” (die Fischhalle). Das Schild blinkt heute auf der linken Seite des Eingangs, der sich auf dem Kanalhafen befindet. Es erinnert uns alle “cesenaticensi” (so werden die Einwohner genannt), dass diese immer das Herz der Stadt ist und uns alle wie eine Mama umarmt.

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Egal, ob man “vom Kanalhafen” oder von der “Piazzetta” (dem Platz dahinter) hereinkommt; fest steht, daß der Kunde sofort von den Rufen der brillanten, freundlichen und sehr netten Fischverkäuferinnen bombardiert wird. Ich kenne sie alle; Peppina – Angela – Maria – Tina – Liberia – Rema – Iride – Marta – Caterina – Tilia – Diva – Giordana und Angiòla. Sie wurden geboren “par vend’ e pes” (um Fisch zu verkaufen). In diesem magischen Theater welches die Fischhalle ist, wurde über 80 Jahre lang eine geniale “Opera prima” (ein Werk) aufgeführt, deren Protagonisten genau sie waren; die Ehefrauen der Kaufleute, denen die “bènc de’ pes” (die Fischmarktbuden) gehörten. Sie waren so schlau, daß sie sofort beim Eintreten der Kunden dessen Verfassung erkannten und ob er bereit war, Geld auszugeben. Der Vorname und sogar der Spitzname wurden mit lauter Stimme ausgesprochen; fast wie eine herzliche Aufforderung, sich vor dem eigenen Stand zu präsentieren. Wenn der Kunde zögerte, weil er nicht genug Geld hatte (und zu dieser Zeit waren viele Familien in finanziellen Schwierigkeiten), sprachen die Fischhändlerinnen “a t’faz un bon prèzi…porta a cà una bèla zeina…a voi puli e bènc” (ich mache dir einen guten Preis … bringe ein schönes Abendessen mit nach Hause … ich möchte den Stand saubermachen).

Zu den männlichen Kunden sagten sie; Willst du heute Abend gut essen? Seh dir den schönen Fisch an, er lebt noch. Ich mache dir einen lächerlichen Preis und somit erfreust du deine Frau mit einem schönen Fritto misto. (d.h. frittierter Fisch und Meeresfrüchte). Es ist derselbe scherzhafte Ton, der den “alten Kunden” vorbehalten war. “Fal magnè ben stasàira, che dop stè ben ènca tè!” (Lass sie heute Abend gut essen, dann wird es auch dir gut gehen!) Stattdessen wurde für die “signore bene” (die wohlhabenden Damen) eine andere Musik reserviert. Sie kamen am Samstagnachmittag, um den Fischfang des Tages zu holen. Die Frauen der Fischhalle zogen, wie man sagte; “le scarpe dalla punta” (das sind Tanzschuhe) an und priesen mit ihrer Gutmütigkeit die lokalen Rezepte so sehr an, dass diese einzigartig erschienen. Es war eine Frage der Zuneigung, ob man sich von einem Stand oder einem anderen bedienen ließ; jeder hatte einen besonderen Bezug zu seiner Fischverkäuferin. Da war die berühmte Peppina. Wenn man vom Kanalhafen kam, war sie die Erste auf der linken Seite und ihre Spezialität war die Zubereitung der Fischsuppe. Sie bestand aus 13/14 verschiedenen Fischsorten und um sie mit nach Hause zu nehmen, kamen die Junggesellen und vor allem die Damen von Cesena und sogar von Rimini. Dann war da noch Marta, die gelinde ausgedrückt ein feuriges Temperament hatte. Eines Tages blieb eine Dame aus Cesena vor ihrem Stand stehen und fragte sie; “Ist der Fisch frisch?” Blitzschnell antwortete sie, “No, l’è fràid” (das bedeutet “Nein, er ist verdorben”). Diese Episode ging in die Geschichte ein. Marta verlor ihre Kundin, aber die Genugtuung, dem Hochmut “‘d ‘la sgnòra ad Cesàina” (der Dame aus Cesena) geantwortet zu haben, kann man gar nicht in Worte fassen. Dieses Spektakel fand jeden Tag von 14 Uhr 30/ 15 Uhr nachmittags beim Eintreffen des frischen Fisches bis 18 Uhr 30/ 19 Uhr statt. Anschließend begann die Einlagerung des unverkauften Fisches in Eis. Für die Bewohner von “de’ mont” (so heißt dieses Viertel) war die “d’la pscaria” (die Fischhalle) schon immer der Mittelpunkt des täglichen Lebens und der Zuneigung. Es war nicht nötig, sich zu verabreden, denn alle versammelten sich auf dem kleinen Platz vor der damals noch nicht asphaltierten Fischhalle. Die Älteren genossen ein Glas Wein in den beiden Tavernen, die auf den kleinen Platz blicken, während wir Kinder es genossen, einen rostigen Reifen zu rollen oder mit einem Ball aus Stofflumpen zu spielen. Wir hörten auch dem Geplauder der Alten zu, wobei man alles Mögliche zu hören bekam. Es war wie eine weitere Familie, wie Kleider, die man trug. Hier befand sich der Mittelpunkt des damaligen Lebens.

Schon vor dem Bau dieses Gebäudes wurde auf diesem kleinen Platz an Ständen und sogar mit Körben auf dem Boden sehr sparsam mit Fisch gehandelt. Die Menschen lebten so gut sie konnten, denn es herrschte großes Elend. Als die “Pescheria” (die Fischhalle) 1911 auf Initiative der Gemeinde erbaut wurde, gab es im Inneren des Gebäudes 10 Stände, wobei sich 5 auf der Meerseite und 5 auf der Landesinnenseite befanden. Die kleinen Händler, denen diese Stände zugewiesen waren, zahlten eine Miete. Der Fisch wurde in Körben am Hafen abgeladen, denn zur damaligen Zeit gab es noch keinen Fischgroßmarkt. Der Auktionator bot ihn zur Versteigerung an, die Händler kauften ihn und brachten ihn hierher in die Fischhalle. Die Gemeinde stellte auch zwei Stände im Freien gegenüber der “Piazzetta delle Erbe” (Platz der Gräser) für die Fischer zur Verfügung, denn die sogenannte “quota parte” (das ist ein Eigenanteil) konnte jedes Besatzungsmitglied dort verkaufen. Wenn die Boote zurückkehrten, gingen ihnen die Ehefrauen schon entgegen; wogen ein wenig Fisch ab; die sogenannten “mucchie” (das sind Haufen); kehrten zu den Ständen auf der Piazzetta (dem Platz) zurück und verkauften ihn an die Einwohner des Dorfes. Der Fischhandel hier in Cesenatico erlebte seine Blütezeit von Mitte der 1950er bis in die 1990er Jahre. Danach ging es bergab, denn die Adria ist nicht mehr so fischreich wie sie es einmal war. Im Jahre 2011 feierten wir das hundertjährige Bestehen der Fischhalle gemeinsam mit einer der letzten Fischverkäuferinnen, die dort arbeitete; Caterina Razzani. Ich, der damals noch ein Gemeindeangestellter war, organisierte alles. Da keine Beschriftung vorhanden war, ging ich zu einem Schmied und nach den üblichen Höflichkeiten sagte ich ihm; schreibe es mir im Dialekt “Pscària 1911” (die Fischhalle). Das Schild blinkt heute auf der linken Seite des Eingangs, der sich auf dem Kanalhafen befindet. Es erinnert uns alle “cesenaticensi” (so werden die Einwohner genannt), dass diese immer das Herz der Stadt ist und uns alle wie eine Mama umarmt.

Audiotrack-Text

Egal, ob man “vom Kanalhafen” oder von der “Piazzetta” (dem Platz dahinter) hereinkommt; fest steht, daß der Kunde sofort von den Rufen der brillanten, freundlichen und sehr netten Fischverkäuferinnen bombardiert wird. Ich kenne sie alle; Peppina – Angela – Maria – Tina – Liberia – Rema – Iride – Marta – Caterina – Tilia – Diva – Giordana und Angiòla. Sie wurden geboren “par vend’ e pes” (um Fisch zu verkaufen). In diesem magischen Theater welches die Fischhalle ist, wurde über 80 Jahre lang eine geniale “Opera prima” (ein Werk) aufgeführt, deren Protagonisten genau sie waren; die Ehefrauen der Kaufleute, denen die “bènc de’ pes” (die Fischmarktbuden) gehörten. Sie waren so schlau, daß sie sofort beim Eintreten der Kunden dessen Verfassung erkannten und ob er bereit war, Geld auszugeben. Der Vorname und sogar der Spitzname wurden mit lauter Stimme ausgesprochen; fast wie eine herzliche Aufforderung, sich vor dem eigenen Stand zu präsentieren. Wenn der Kunde zögerte, weil er nicht genug Geld hatte (und zu dieser Zeit waren viele Familien in finanziellen Schwierigkeiten), sprachen die Fischhändlerinnen “a t’faz un bon prèzi…porta a cà una bèla zeina…a voi puli e bènc” (ich mache dir einen guten Preis … bringe ein schönes Abendessen mit nach Hause … ich möchte den Stand saubermachen).

Zu den männlichen Kunden sagten sie; Willst du heute Abend gut essen? Seh dir den schönen Fisch an, er lebt noch. Ich mache dir einen lächerlichen Preis und somit erfreust du deine Frau mit einem schönen Fritto misto. (d.h. frittierter Fisch und Meeresfrüchte). Es ist derselbe scherzhafte Ton, der den “alten Kunden” vorbehalten war. “Fal magnè ben stasàira, che dop stè ben ènca tè!” (Lass sie heute Abend gut essen, dann wird es auch dir gut gehen!) Stattdessen wurde für die “signore bene” (die wohlhabenden Damen) eine andere Musik reserviert. Sie kamen am Samstagnachmittag, um den Fischfang des Tages zu holen. Die Frauen der Fischhalle zogen, wie man sagte; “le scarpe dalla punta” (das sind Tanzschuhe) an und priesen mit ihrer Gutmütigkeit die lokalen Rezepte so sehr an, dass diese einzigartig erschienen. Es war eine Frage der Zuneigung, ob man sich von einem Stand oder einem anderen bedienen ließ; jeder hatte einen besonderen Bezug zu seiner Fischverkäuferin. Da war die berühmte Peppina. Wenn man vom Kanalhafen kam, war sie die Erste auf der linken Seite und ihre Spezialität war die Zubereitung der Fischsuppe. Sie bestand aus 13/14 verschiedenen Fischsorten und um sie mit nach Hause zu nehmen, kamen die Junggesellen und vor allem die Damen von Cesena und sogar von Rimini. Dann war da noch Marta, die gelinde ausgedrückt ein feuriges Temperament hatte. Eines Tages blieb eine Dame aus Cesena vor ihrem Stand stehen und fragte sie; “Ist der Fisch frisch?” Blitzschnell antwortete sie, “No, l’è fràid” (das bedeutet “Nein, er ist verdorben”). Diese Episode ging in die Geschichte ein. Marta verlor ihre Kundin, aber die Genugtuung, dem Hochmut “‘d ‘la sgnòra ad Cesàina” (der Dame aus Cesena) geantwortet zu haben, kann man gar nicht in Worte fassen. Dieses Spektakel fand jeden Tag von 14 Uhr 30/ 15 Uhr nachmittags beim Eintreffen des frischen Fisches bis 18 Uhr 30/ 19 Uhr statt. Anschließend begann die Einlagerung des unverkauften Fisches in Eis. Für die Bewohner von “de’ mont” (so heißt dieses Viertel) war die “d’la pscaria” (die Fischhalle) schon immer der Mittelpunkt des täglichen Lebens und der Zuneigung. Es war nicht nötig, sich zu verabreden, denn alle versammelten sich auf dem kleinen Platz vor der damals noch nicht asphaltierten Fischhalle. Die Älteren genossen ein Glas Wein in den beiden Tavernen, die auf den kleinen Platz blicken, während wir Kinder es genossen, einen rostigen Reifen zu rollen oder mit einem Ball aus Stofflumpen zu spielen. Wir hörten auch dem Geplauder der Alten zu, wobei man alles Mögliche zu hören bekam. Es war wie eine weitere Familie, wie Kleider, die man trug. Hier befand sich der Mittelpunkt des damaligen Lebens.

Schon vor dem Bau dieses Gebäudes wurde auf diesem kleinen Platz an Ständen und sogar mit Körben auf dem Boden sehr sparsam mit Fisch gehandelt. Die Menschen lebten so gut sie konnten, denn es herrschte großes Elend. Als die “Pescheria” (die Fischhalle) 1911 auf Initiative der Gemeinde erbaut wurde, gab es im Inneren des Gebäudes 10 Stände, wobei sich 5 auf der Meerseite und 5 auf der Landesinnenseite befanden. Die kleinen Händler, denen diese Stände zugewiesen waren, zahlten eine Miete. Der Fisch wurde in Körben am Hafen abgeladen, denn zur damaligen Zeit gab es noch keinen Fischgroßmarkt. Der Auktionator bot ihn zur Versteigerung an, die Händler kauften ihn und brachten ihn hierher in die Fischhalle. Die Gemeinde stellte auch zwei Stände im Freien gegenüber der “Piazzetta delle Erbe” (Platz der Gräser) für die Fischer zur Verfügung, denn die sogenannte “quota parte” (das ist ein Eigenanteil) konnte jedes Besatzungsmitglied dort verkaufen. Wenn die Boote zurückkehrten, gingen ihnen die Ehefrauen schon entgegen; wogen ein wenig Fisch ab; die sogenannten “mucchie” (das sind Haufen); kehrten zu den Ständen auf der Piazzetta (dem Platz) zurück und verkauften ihn an die Einwohner des Dorfes. Der Fischhandel hier in Cesenatico erlebte seine Blütezeit von Mitte der 1950er bis in die 1990er Jahre. Danach ging es bergab, denn die Adria ist nicht mehr so fischreich wie sie es einmal war. Im Jahre 2011 feierten wir das hundertjährige Bestehen der Fischhalle gemeinsam mit einer der letzten Fischverkäuferinnen, die dort arbeitete; Caterina Razzani. Ich, der damals noch ein Gemeindeangestellter war, organisierte alles. Da keine Beschriftung vorhanden war, ging ich zu einem Schmied und nach den üblichen Höflichkeiten sagte ich ihm; schreibe es mir im Dialekt “Pscària 1911” (die Fischhalle). Das Schild blinkt heute auf der linken Seite des Eingangs, der sich auf dem Kanalhafen befindet. Es erinnert uns alle “cesenaticensi” (so werden die Einwohner genannt), dass diese immer das Herz der Stadt ist und uns alle wie eine Mama umarmt.

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Giorgio Grassi

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